Uruguay, Muster für Südamerika und die Welt?

Von Folkard Wülfers

Im März 2023 weilte der peruanische Schriftsteller und Literatur Nobelpreisträger
Mario Vargas Llosa anlässlich einer privaten Veranstaltung in Punta del Este in Uruguay. Bei einem anschließenden Presse-Interview nahm er Bezug auf die lateinamerikanische Realität und sagte: „Ich wünschte, ganz Lateinamerika könnte Uruguay nachahmen“. Es sei notwendig, so der prominente Schriftsteller „mit der sinnlosen, unverantwortliche Orientierung einer extremen Linken zu brechen, die eine wirklich tragische Situation im Hinblick auf die Zukunft für Lateinamerika schafft. Das was in Lateinamerika passiert ist, war nirgendwo auf der Welt erfolgreich.“ Kuba und Venezuela und jetzt leider auch Argentinien, Chile und Vargas Llosas Vaterland Peru, scheinen dieses zu bestätigen. „Wo sind die Länder, die durch Populismus erfolgreich waren“? fragt Vargas Llosa, Populismus führt nirgendwo hin, nur zu donnernden Misserfolgen. Wenn nur ganz Lateinamerika Uruguay nachahmen könnte, wäre das ein wirklich gutes Modell. Die Uruguayer haben einen Präsidenten gewählt, der glücklicherweise ein
Liberaler ist und der uruguayischen Gesellschaft als Ganzes viele Vorteile bringt“, so Vargas Llosa.

Tatsächlich boomt Uruguay wie im Artikel „Uruguay will in der ersten Liga spielen“ beschrieben. Die Erfolgsgeschichte begann bereits zeitgleich mit dem 20. Jahrhundert durch eine Phase der Demokratisierung und Prosperität. Wie heute gab es einen starken Zustrom von europäischen Immigranten wodurch es zu einer Modernisierung des Agrarsektors und einer Verbesserung der Infrastruktur kam. Politisch wichtigster Mann war José Batlle y Ordóñez, der während seiner Präsidentschaft von 1911 bis 1915 den uruguayischen Sozialstaat schuf. Uruguay, dessen Umriss dem Umriss von Utopia gleicht, wurde zu dieser Zeit zu einer der fortschrittlichsten Nationen Südamerikas. Hier herrschten Schulpflicht, Versammlungs- und Pressefreiheit und 1916 wurden Kirche und Staat getrennt. Uruguay führte als erster südamerikanischer Staat eine Sozialversicherung und das Frauenwahlrecht ein und das Land hat sich in seiner Staatsgeschichte an keinerlei Welthändel aktiv beteiligt.

Als Zwerg zwischen den riesigen Bruderländern Brasilien und Argentinien, setzt Uruguay einerseits auf Diplomatie und Neutralität, anderseits sind die Uruguayer sehr selbstbewusst und stolz auf ihr kleines Land, auf seine Grenze und auf seine Geschichte. Doch das wichtigste für den Uruguayer ist die Familie: Jeden Sonntag trifft man sich zum gemeinsamen Essen und zum Debattieren über die großen und die kleinen politischen und kulturellen Dinge.

Nicht nur dem amtierenden Präsidenten Luis Lacalle Pou, sondern auch seinen Vorgängern Tabaré Vázquez und José Mujica ist eine gute Verbindung aus Tradition und Moderne, wie sie alle Uruguayer im Herzen tragen, gelungen.

Vargas Llosa, der selbst in der Vergangenheit in Peru und auch in Spanien politisch aktiv war, distanzierte sich ab den 1960er Jahren von seinen eigenen linken Positionen und vertrat, im Gegensatz zu den meist linksgerichteten südamerikanischen Intellektuellen jener Zeit, überzeugt liberale Positionen.

1986 kritisierte er im Bezug auf Gabriel Garcia Márquez die einseitige und kritiklose Überbewertung des sozialistischen Modells durch lateinamerikanische Intellektuelle mit den Worten:

„Dass ein Schriftsteller in dieser Weise den Führer eines Regimes beweihräuchert, in dem es viele politische Gefangene – darunter mehrere Schriftsteller – gibt, das eine rigorose intellektuelle Zensur praktiziert, nicht die mindeste Kritik duldet und dutzende Intellektuelle ins Exil gezwungen hat, ist
etwas, das mich, wie wir im Spanischen sagen mit fremder Scham erfüllt.“

In den letzten Jahren und Jahrzehnten sprach Vargas Llosa politische Probleme in seiner Heimat Peru, in Venezuela, und auch das weltweite Problem des islamischen Fundamentalismus offen an. Seine politischen Gegner bezeichnen ihn daraufhin als „Neoliberalen“, ein Begriff, den Vargas Llosa vehement als von Feinden des Liberalismus kreierte Karikatur ablehnt. Er sieht sich selbst als „liberal ohne weitere Zusätze, mit allem, was der Begriff traditionell bedeutet, politisch und intellektuell“, so sein Biograf Juan José Armas Marcelo.
In dieser Woche besuchte der von Vargas Llosa gelobte uruguayische Präsident Luis Lacalle Pou eine Landwirtschaftsmesse in Melilla am Rande von Montevideo. Heiter mit Ausstellern und Besuchern plaudernd, sah man ihn über die Ausstellungsflächen gehen. Sein X-Account zeugt von zahlreichen
öffentlichen Auftritten die überwiegend Beifall finden.

Unter seiner Regierung schreitet auch die Technisierung voran: Uruguay war das vierte Land in Lateinamerika, das einen Prozess zur Ausschreibung von Funkfrequenzen für 5G-Dienste einleitete. Am April 2023 hat die uruguayische Regierung drei Frequenz-Blöcke von jeweils 100 MHz des 3,5-GHzBands ausgeschrieben. Einer der Blöcke ist für den staatlichen Betreiber Antel reserviert. Die weiteren Interessenten sind Movistar der spanischen Gruppe Telefónica und Claro der mexikanischen Holding América Móvil. Zur Zeit ist Urugay weitestgehend mit 4G-LTE abgedeckt. Interessanter Aspekt am Rande: bei etwa 3,5 Millionen Einwohnern soll es 6,02 Millionen aktive Mobilfunkanschlüsse geben.

Das politische Gefüge in Uruguay weist auch Schwächen auf: Mit vier von 1.000 Uruguayern im Gefängnis hat das Land die höchste Inhaftierungsrate in Südamerika. Ursache ist die massive Verbreitung von Drogen seit den 2000er Jahren und die damit einhergehende Kriminalität. Diese ist nach den Eindrücken der Bürger auf die Legalisierung des Cannabis-Konsums zurück zuführen. Danach
haben Delikte wie Raub und Überfälle unter Drogeneinfluss zugenommen. Die Gefängnisse sind mit einer Belegungsrate von 123% überbelegt, sodaß eine Resozialisierung kaum möglich ist. Es bleiben noch Ziele zu erreichen für Luis Lacalle Pou.

Im Nachbarland Argentinien wurde im Dezember 2023 der ebenfalls liberale Javier Gerado Milei zum Präsidenten gewählt. Der studierte Ökonom, der der österreichischen Schule nahesteht, versucht das heruntergewirtschaftete Land nach ähnlichen Prämissen wie Lacalle Pou zu retten, und verzeichnet bereits erste Erfolge.

In Deutschland sind ähnlich geartete Politiker nicht in Sicht, bzw. sie werden als Rechtsextreme abqualifiziert.