Uruguay will in der ersten Liga spielen

Die Wirtschaft boomt. Infrastrukturprojekte werden vorangetrieben, und allein im ersten Halbjahr 2022 wanderten 52.277 EU-Bürger in das kleine südamerikanische Land aus.
In Uruguay ist Spätsommer, der Karneval ist vorbei, die Schule hat wieder angefangen und die Ernte begonnen. Der Sommer war sehr heiß und trocken und die Ernteverluste durch die schwerste Dürre seit dreißig Jahren werden auf 1,8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese Einbußen betreffen hauptsächlich die Exporte landwirtschaftlicher Güter, die heimischen Märkte sind gut gefüllt wie immer.
Im täglichen Leben merkt man kaum etwas von den Problemen der Landwirtschaft, denn die übrige Wirtschaft boomt. So erlebt Uruguay die beste Kreuzfahrtsaison seit acht Jahren: insgesamt sind 160 Schiffe angekommen, 116 in Montevideo und 44 in Punta del Este. Weitere 44 Schiffe werden erwartet. Direkt am Hafen von Montevideo beginnt die Altstadt und nach der Ankunft eines Schiffes strömen die Passagiere in die Stadt mit Ihren architektonischen Sehenswürdigkeiten, ihren grünen Parks, den breiten Avenidas und den zahlreichen Geschäften und Restaurants. Busse bringen die Passagiere ins Landesinnere zu gepflegten Weingütern und altehrwürdigen Estancias, wo die Gauchos ihre Fertigkeiten zu Pferde und am Grill zeigen.
„Musterbeispiel für den globalen Süden“
Bis 2024 wird Uruguay etwa 7,2 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur investieren, davon sechs Milliarden für Straßenbau, Energie, Telekommunikation, Abwasser und Schienenverkehr sowie eine Milliarde US-Dollar für den Wohnungsbau. Diese Investitionen sind überall deutlich sichtbar.
Im Februar wählte die Financial Times (FT) die an Umweltziele gebundene sogenannte grüne Anleihe Uruguays zur lateinamerikanischen Anleihe des Jahres, denn nachdem man in Europa nicht mehr fündig geworden war, sah man sich global um. FT-Analyst Janen Ganesh nannte Uruguay ein Musterbeispiel für den globalen Süden, einen echten Ort des 21. Jahrhunderts. Uruguay ist nach Angaben der Financial Times das
erste Land der Welt, das eine Anleihe ausgibt, deren Zinssatz an die Erfüllung von Umweltzielen gekoppelt ist.
Ebenfalls im Februar erschien eine Ausgabe des American Quarterly mit dem Titelthema „Uruguay“. Eric Farnsworth lobte darin den uruguayischen Präsidenten Luis Lacalle Pou als jemand, der praktisch alles im Rahmen des Zumutbaren tut, umUruguay angesichts regionaler und globaler Realitäten effektiv und kreativ zupositionieren. So knüpft Uruguay seit Jahren über den Wirtschaftsverbund Mercosur hinaus Kontakte zu China und neuerdings in den weiteren pazifisch-asiatischen Raum. Farnsworth schreibt, die Nation Uruguay und ihre Menschen hätten gezeigt, dass sie es
verdienen, in der ersten Liga zu spielen. Der Präsident von Uruguay ist das am besten bewertete Staatsoberhaupt Lateinamerikas.
Wind, Sonne und Wasserkraftwerke
Und tatsächlich hat das kleine Land große Pläne: Uruguay möchte zu einem Hauptexporteur von grünem Wasserstoff werden. Bis 2040 könnte das Land jährlich Kraftstoffe für 1,3 Milliarden Dollar exportieren, denn Uruguay habe gute Voraussetzungen für die Herstellung solcher Kraftstoffe, so eine Studie des multilateralen Kreditgebers IDB. 97 Prozent des Energiebedarfs werden mit Hilfe von Wind, Sonne und Wasserkraftwerken erzeugt.
Derzeit baut Uruguay im Norden des Landes an der Grenze zu Brasilien gemeinsam mit Brasilien einen großen Hafen, um für das südamerikanische Hinterland bis nach Bolivien einen Seezugang zu schaffen.
Durch die anhaltende Inflation im großen Nachbarland Argentinien, kommen viele Argentinier ins Land und halten Ausschau nach Immobilien. Deshalb startete Uruguay bereits im Mai 2022 den Bau einer modernen Stadt mit tausenden von Wohnungen, mehreren Schulen, einem Sanatorium, Geschäften, Unterhaltungszentren, Parks und einem technologischen System für intelligentes Wohnen. Es werden etwa 1,9 Milliarden US-Dollar für ungefähr 30.000 neue Einwohner investiert und es sollen 6.000 neue Arbeitsplätze im IKT-Sektor – Informations- und Kommunikationstechnik – geschaffen werden.
In Montevideo wird der multinationale Konzern Microsoft sein erstes Labor für künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge in Lateinamerika einrichten. Auch Netflix ist mit einem Filmstudio in Montevideo aktiv.
Derweil kommen auch aus Europa immer mehr Zuwanderer: 52.277 EU-Bürger allein in der ersten Hälfte des Jahres 2022. Zwar gibt es rund 3.000 freie Stellen im IT-Sektor, doch sind erfahrungsgemäß zwei Dinge für eine erfolgreiche Einwanderung unabdingbar: die Beherrschung der spanischen Sprache und ausreichend Eigenkapital.
Es bleibt zu hoffen, das Uruguay bei allem Fortschritt und zunehmenden Wohlstand das ruhige, friedliche und gastfreundliche „Ländchen“ bleibt. No te preocupes, mach Dir keine Sorgen, wie man hier sagt.